Verrat am II. Vatikanischen Konzil oder Deepfake?

7. Jänner 2025 in Kommentar


Der Papst ernennt eine Kurienpräfektin. Wird auf dem Altar des Genderismus das II. Vatikanische Konzil geopfert oder handelt sich um einen verfrühten Aprilscherz? Gastkommentar von Martin Grichting


Chur (kath.net)

Nun ist es definitiv so weit. Der Papst hat eine Frau als Präfektin eines Dikasteriums des Apostolischen Stuhls ernannt, demjenigen für die Ordensleute. Der Fall ist rätselhaft. Entweder kann die neue «Präfektin» kirchliche Leitungsgewalt im Namen des Papstes ausüben (vgl. Codex Iuris Canonici, can. 360), so wie es bei den anderen Kurien-Präfekten der Fall ist. Da sie Laie ist, wären wir damit wieder in den Zeiten der Deutschen Reichskirche. Damals gab es bekanntlich «Bischöfe», die das betreffende Amt innehatten und kirchliche Leitungsgewalt ausübten, ohne dass sie die Bischofweihe empfangen hatten. Die Schäden waren immens. Der Ausbruch der Reformation hat nicht zuletzt mit diesem schweren Missstand zu tun.

Oder die neue «Präfektin» kann in dieser Funktion doch keine ordentliche ausführende Kirchengewalt ausüben. Dann ist die Ernennung ein Fake, eine reine Show. Die «Präfektin» wäre dann nur eine Art Titularpräfektin. Ihr Titel wäre ein Titel ohne Mittel. Hat sie genau dazu gleichentags einen Kardinal, der Bischof ist, als «Pro-Präfekten» an die Seite gestellt bekommen, der alles, was mit kirchlicher Jurisdiktionsgewalt zu tun hat, unterschreiben muss, weil die «Präfektin» selbst keine Vollmacht dazu hat?

Die Ernennung wurde ohne Kommentar publiziert. Es sieht deshalb so aus, dass der Papst gewillt ist, den erwähnten mittelalterlichen Missbrauch zu restaurieren. Wenn das so sein sollte, muss man folgendes konstatieren:

Ein Laie als Präfekt mit Jurisdiktionsgewalt – egal ob Mann oder Frau – wäre zuerst einmal ein Verrat am II. Vatikanischen Konzil. Denn dieses räumte mit den mittelalterlichen Missbräuchen auf, indem es festhielt («Lumen Gentium», 21): «Die Bischofsweihe überträgt mit dem Amt der Heiligung auch die Ämter der Lehre und der Leitung, die jedoch ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums ausgeübt werden können». Damit ist die Einheit und Untrennbarkeit von Weihevollmacht und Leitungsvollmacht zum Ausdruck gebracht worden. Die Weihe ist die Befähigung zum Empfang der Leitungsvollmacht. Eine Trennung dieser Vollmachten ist deshalb seither nicht mehr möglich. Es war immer schon degoutant, dass der amtierende Papst Gläubige beleidigt hat mit der Bemerkung, sie seien «Indietristen», Rückwärtsgewandte. Nun aber würde dies auch noch zur Heuchelei. Denn der Papst würde sich selbst zum «Indietristen» machen, der hinter das II. Vatikanum zurückgeht und mittelalterliche Missstände restauriert.

Das ist noch nicht alles: Der Codex Iuris Canonici von 1983 hat in can. 129 § 1, fussend auf «Lumen Gentium» 21, bestimmt: «Zur Übernahme von Leitungsgewalt, die es aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt und die auch Jurisdiktionsgewalt genannt wird, sind nach Maßgabe der Rechtsvorschriften diejenigen befähigt, die die heilige Weihe empfangen haben». In can. 274 hiesst es verdeutlichend dazu: «Allein Kleriker können Ämter erhalten, zu deren Ausübung Weihegewalt oder kirchliche Leitungsgewalt erforderlich ist». Wenn eine Ordensfrau, die nicht Klerikerin sein kann und nicht ist, nun als Präfektin eines Dikasteriums der Römischen Kurie ordentliche stellvertretende Leitungsgewalt ausüben würde, stellte dies einen Bruch des Kirchenrechts in einer vitalen Frage dar.

Selbstverständlich kann der Papst das Kirchenrecht brechen. Für ihn hat es keine Folgen, für die Kirche aber sehr wohl. Can. 333 § 3 lautet: «Gegen ein Urteil oder ein Dekret des Papstes gibt es weder Berufung noch Beschwerde». Und can. 1404 betont dem entsprechend: «Der Papst kann von niemandem vor Gericht gezogen werden». Das Problem des Bruchs des Rechts durch den Papst ist jedoch nicht ein Rechtliches, sondern ein Moralisches, die Einheit der Kirche betreffendes. Joseph Ratzinger hat im Kommentar zur «Nota explicativa praevia», die ein integrierender Teil von «Lumen Gentium» ist, betont, «dass der Papst bei seinem Handeln keinem äusseren Tribunal untersteht, das als Appellationsinstanz gegen ihn auftreten könnte, wohl aber an den inneren Anspruch seines Amtes, der Offenbarung, der Kirche gebunden ist. Dieser innere Anspruch seines Amtes schliesst aber auch eine moralische Bindung an die Stimme der Gesamtkirche ohne Zweifel mit ein» (Kommentar zu «Lumen Gentium», in: Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage, Ergänzungsband I, S. 356). Wenn dieser «Pakt» zwischen Papst und Weltkirche, der – wie gesagt – kein rechtlicher, sondern ein moralischer ist, vom Papst gebrochen würde, stürzte er die Kirche ins Chaos. Denn wenn der Papst noch einen letzten Funken Integrität besässe, würde er fortan niemandem mehr vorwerfen können, er habe das II. Vatikanum missachtet oder das Kirchenrecht gebrochen. Denn er hätte nun beides in einer wichtigen Frage selbst getan. Wer sollte sich angesichts eines Hüters der Lehre und der Gesetze noch an selbige halten, wenn deren «Hüter» sich selbst nicht mehr daran hält?

Wenn die Ernennung einer «Präfektin» mehr als ein Deepfake ist, das nur so tut, als würde ein Laie ordentliche stellvertretende Leitungsgewalt ausüben können, wird das Epiphaniefest 2025 als der Tag in die Geschichte der Kirche eingehen, am dem alle Glieder der Kirche vom Papst de facto vom Gehorsam gegen Lehre und Ordnung der Kirchen entbunden wurden. Denn niemand mehr würde dann ehrlicherweise noch Gehorsam verlangen können, wenn ihn der oberste Hirte selbst nicht mehr zu leisten gewillt wäre.

Aber auch wenn die neue «Präfektin» nur eine Operettenpräfektin sein sollte, ist der Schaden jetzt schon angerichtet. Denn der Zorn mitrabegeisterter Frauen wäre wohl grenzenlos. Sie würden sich veräppelt vorkommen, als Opfer eines Täuschungsversuchs. Und wer sich unter diesem Pontifikat noch um den letzten Rest theologischer Ernsthaftigkeit bemüht hat, wäre aufgrund eines solchen verfrühten Aprilscherzes ebenfalls der Betrogene. Es reicht.


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