
13. November 2025 in Kommentar
Ein Kommentar von Roland Noé zu den jüngsten Entgleisungen des AfD-Vorsitzenden bei Markus Lanz
Berlin (kath.net/rn)
"Völlig wild. Die Taliban haben mir persönlich auch nichts getan. Trotzdem verteidige ich sie nicht oder bin der Meinung, dass sie einen Staat führen sollten. Wer für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie ist, kann solche Aussagen nicht bringen." Mit deutlichen Worten hat Anabel Schunke, eine rechte Bloggerin, die Aussagen des AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla beim jüngsten Lanz-Auftritt klar verurteilt. Gut so, vielleicht kommt Kritik aus rechten Kreisen bei dem AfD-Mann eher an. Bei der Diskussionssendung hatte der AfD-Vorsitzende am Dienstag nämlich allen Ernstes behauptet: "Ich sehe keine Gefahr für Deutschland aktuell durch Russland. Putin hat noch nicht mal gedroht, Deutschland mit der Atombombe anzugreifen!" - Wie bitte? Und das fast vier Jahren Angriff auf die Ukraine durch Russland und den unzähligen Drohungen von Russlands Politikern mit der Atom-Bombe in den letzten Jahren?
Doch Chrupalla wurde dann noch wirrer. Zu Polen, das zu den größten Unterstützern der Ukraine auf allen möglichen Ebenen gehört, statuierte er: "Natürlich kann auch Polen für uns eine Gefahr sein." Auf die Frage von Moderator Markus Lanz: "Sie sagen, Polen ist potenziell genauso gefährlich wie Russland?", meinte Chrupalla dann noch: "In diesem Fall sehen wir das doch!"
Bei der Diskussion war auch Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa dabei, ein klares moralisches Gegengewicht zu Chrupalla. Kara-Mursa wurde in Russland zu 25 Jahren Haft verurteilt, nach zwei Vergiftungsversuchen vom Westen ausgetauscht und damit gerettet. "Unsere Oppositionellen werden ermordet. Wie viele aus Ihrer Partei sind ermordet worden?", fragte Kara-Mursa den AfD-Vertreter und stellte dann klar, was in Russland passiert. Putin "ist nicht nur Diktator und Besetzer, er ist auch Mörder". Kritiker würden in Russland eingesperrt und ermordet. Die Wahlen seien gefälscht, die Opposition werde unterdrückt und nicht zuletzt werden andere Länder überfallen. "Wenn das nicht reicht, was dann noch?“, so Kara-Mursa zu Chrupalla.
Chrupallas Antwort bei Lanz dann in relativierender Form: „Selbst ich wurde angegriffen und weiß noch nicht, von wem. Ich weiß nicht, ob es der Staat war. Es waren vielleicht Dienste oder sonst wer. Also muss man immer auf der Hut sein." Mit den Lügen Putins vor dem Einmarsch in die Ukraine hat Chrupalla kein Problem. Vor einigen Monaten hatte er dazu im "SWR" lapidar vertreten: "Lüge gehört zur Politik. Es gab Lügen und Propaganda auf beiden Seiten, wir erleben gerade wie diese Kriegspropaganda läuft."
Nicht einmal der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, verteidigt den Schwachsinn des AfD-Vorsitzenden. Gegenüber der „Bild“ sagte Lucassen: „Wir sehen jede Woche russische Waffensysteme in Gebieten, wo sie nichts verloren haben. Wir sehen einen Staat, der keine Bereitschaft zeigt, in Richtung Frieden zu gehen. Gefahrenabwehr, zumindest aber Prävention, ist die Pflicht jedes deutschen Politikers und jedes deutschen Patrioten.“ Auch Alice Weidel, ebenfalls AfD-Co-Vorsitzende, geht inzwischen mehr und mehr auf Distanz zu Putin und Moskau. Gut so!
Zur geplanten Russlandreise eines AfD-Abgeordneten sagte sie unmissverständlich: „Ich kann nicht verstehen, was man da eigentlich soll." - Vielleicht wärs aber durchaus gut, wenn die AfD ein paar eigene Politiker nach Russland fahren lässt und vielleicht könnten die gleich für immer dort bleiben, damit sie mal eine Diktatur vor Ort länger betrachten und erleben. Eine Frage an Herrn Chrupalla hab ich noch: Wie moralisch verkommen kann man eigentlich in der Politik noch agieren?
Ich habe Wladimir Kara-Mursa in Oslo kennengelernt. Ein Mann, der trotz wiederholter Anschläge auf sich und Verfolgung zurück nach Russland gekehrt ist, um dort für seine Heimat zu kämpfen. Wegen seiner Kritik an der Regierung und des Krieges wurde er zu 25 Jahren Zuchthaus…
— Joana Cotar (@JoanaCotar) November 12, 2025
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