
2. Dezember 2025 in Aktuelles
Abschlussmesse. Mit Blick auf Meer und Zedern: Leo XIV. mahnt das libanesische Volk, die ‚zarten Sprösslinge‘ des Guten zu schützen. Haus der Gerechtigkeit, Geschwisterlichkeit und des Friedens. Von Armin Schwibach
Beirut (kath.net/as) Mit einer Hoffnung verkündenden Predigt hat Papst Leo XIV. seine erste Apostolische Auslandsreise in die Türkei und den Libanon beendet. Auf der „Beirut Waterfront“ an der Küste von Beirut verband der Papst Dank, Klage und einen leidenschaftlichen Aufruf zur Hoffnung: „Libanon, steh wieder auf!“. Rund 150.000 Gläubige nahmen an der Messe teil.
Am Ende der gemeinsamen Tage, so der Papst, sei es notwendig, „unsere Dankbarkeit gegenüber dem Herrn für die vielen Gaben seiner Güte“ auszusprechen. Diese Haltung knüpft er direkt an das Evangelium des Tages: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde“ (Lk 10,21). Doch der Papst verweilte nicht beim einfachen moralischen Aufruf zur Dankbarkeit. Er deutete das geistliche Drama der Gegenwart: Wie oft sei das Herz „von den Mühen des Lebens belastet“, von politischem Zerfall, wirtschaftlicher Not und den Wunden der Geschichte, gerade im Libanon, dessen Schönheit „zugleich Zuschauer und Opfer dessen ist, wie das Böse sie trüben kann“. Damit traf Leo XIV. den inneren Zwiespalt des Landes: gepriesen in der Schrift, verwundet in seiner Realität.
Zuneigungsvoll erinnerte der Papst an die ehrwürdigen Bilder der Bibel: die Zedern, die Gott „gepflanzt, genährt und gesättigt“ hat (Ps 104,16); den Duft des Hohelieds (Hld 4,11); den prophetischen Glanz Jesajas, der sagt: „Die Pracht des Libanon kommt zu dir“ (Jes 60,13). Aber diese Schönheit sei heute „überschattet“, von Armut, Leid, politischer Instabilität, ökonomischem Zusammenbruch, Gewalt und wiedererwachter Angst. Der Papst erinnerte an sein Gebet am Ort der Explosion im Hafen von Beirut vor der Feier der Heiligen Messe: ein sichtbares Zeichen der Verwundung des Landes.
Leo XIV. entfaltete dann seinen zentralen Gedanken: Hoffnung entsteht nicht durch große Taten, sondern durch die kleinen Offenbarungen Gottes. Wie Jesus dem Vater dafür dankt, „dass er seine Größe gerade den Kleinen und Demütigen offenbart“, so zeigt auch der Libanon unzählige kleine Lichter, die in der Dunkelheit brennen. Der Papst nannte sie beim Namen: der „einfache und echte Glaube“ der Familien, die christlichen Schulen, die Generationen prägen, die Pfarreien, Kongregationen und Bewegungen, die Priester und Ordensleute, die Laien, die sich Tag für Tag im Caritas-Dienst verzehren. In diesen verborgen arbeitenden Menschen sieht er die „zarten Sprösslinge“, die Gott in die Geschichte pflanzt, kleine, unsichtbare Keime, die dennoch „Hoffnung für die Zukunft geben“.
Leo XIV. warnte jedoch vor einer reinen Innerlichkeit: Dankbarkeit darf „nicht eine nur gefühlte illusorische Tröstung bleiben“. Sie ruft zur Metanoia: zu einer Wandlung des Herzens, zu einem Widerstand gegen die „Logik der Gewalt“ und die „Idolatrie des Geldes“, gegen Resignation und den fatalistischen Umgang mit dem Bösen. Die kleinen Keime des Guten müssen gepflegt werden, oder sie gehen verloren.
Besonders eindringlich wurde der Papst, wenn er den Weg aus der Krise beschreibt. Er führe nicht über geopolitische Analysen, sondern über die geistliche Entwaffnung des Herzens: Überwindung ethnischer und politischer Verschlossenheit, Öffnung der religiösen Bekenntnisse füreinander, Wiederbelebung des Traums eines geeinten Libanon. Der Papst griff dabei die messianische Vision Jesajas auf: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm… ein kleiner Junge leitet sie“ (Jes 11,6). Dieser Traum sei dem libanesischen Volk nicht nur verheißen, sondern „anvertraut“. Darum rief Leo XIV.: „Libanon, steh wieder auf! Sei ein Haus der Gerechtigkeit und der Geschwisterlichkeit! Sei ein Vorbote des Friedens für die ganze Levante!“.
Zum Abschluss kehrte der Papst erneut zum Lobpreis Jesu zurück: „Ich preise dich, Vater“. Er dankte für die Tage inmitten des libanesischen Volkes und legt das ganze Land in das Licht Christi: Der Libanon soll „immer vom Glauben an Jesus Christus, Sonne der Gerechtigkeit, erleuchtet“ sein und die Hoffnung bewahren, „die niemals untergeht“.
kath.net veröffentlicht die Predigt von Papst Leo XIV. bei der Heiligen Messe, „Beirut Waterfront“ (Beirut)
Liebe Brüder und Schwestern!
Am Ende dieser intensiven Tage, die wir mit Freude miteinander verbracht haben, bringen wir unsere Dankbarkeit gegenüber dem Herrn für die vielen Gaben seiner Güte zum Ausdruck, dafür, wie er unter uns gegenwärtig ist, für das Wort, das er uns in Fülle schenkt, und für alles, was er uns gemeinsam erleben ließ.
Wie wir gerade im Evangelium gehört haben, richtet auch Jesus Worte der Dankbarkeit an den Vater und betet zu ihm: »Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde« (Lk 10,21).
Die Haltung des Lobes findet jedoch nicht immer Raum in uns. Manchmal sind wir von den Mühen des Lebens belastet, besorgt wegen den zahlreichen Problemen, die uns umgeben, gelähmt von der Ohnmacht angesichts des Bösen und bedrückt aufgrund vieler schwieriger Situationen, und neigen eher zur Resignation und zum Klagen als zum Staunen des Herzens und zum Dank.
Die Einladung, stets die Haltungen des Lobes und der Dankbarkeit zu pflegen, richte ich gerade an euch, liebes libanesisches Volk. An euch, die ihr Empfänger einer seltenen Schönheit seid, mit der der Herr euer Land beschenkt hat, und die ihr zugleich Zuschauer und Opfer dessen seid, wie das Böse in vielfältiger Form diese Pracht trüben kann.
Von dieser Esplanade mit Blick auf das Meer kann auch ich die Schönheit des Libanon betrachten, die in der Heiligen Schrift besungen wird. Der Herr hat hier seine hohen Zedern gepflanzt, sie genährt und gesättigt (vgl. Ps 104,16), er hat die Kleider der Braut im Hohelied mit dem Duft dieses Landes umhüllt (vgl. Hld 4,11), und in Jerusalem, der heiligen Stadt, die wegen des kommenden Messias von Licht umstrahlt ist, verkündet er: »Die Pracht des Libanon kommt zu dir, Zypressen, Ulmen und Wacholder allesamt, um den Ort meines Heiligtums zu schmücken; den Ort meiner Füße will ich verherrlichen« (Jes 60,13).
Gleichzeitig wird diese Schönheit jedoch von Armut und Leid überschattet, von Wunden, die eure Geschichte gezeichnet haben – gerade habe ich am Hafen, am Ort der Explosion gebetet –; sie wird von vielen Problemen überschattet, die euch bedrängen, von einem schwachen und oft instabilen politischen Umfeld, von der dramatischen Wirtschaftskrise, die euch belastet, von Gewalt und Konflikten, die alte Ängste wieder geweckt haben.
In einem solchen Szenario weicht Dankbarkeit leicht der Ernüchterung, Lobgesang findet keinen Platz in der Trostlosigkeit des Herzens und die Quelle der Hoffnung versiegt aufgrund von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit.
Das Wort des Herrn lädt uns jedoch ein, die kleinen brennenden Lichter inmitten der Nacht zu entdecken, um uns offen werden zu lassen für die Dankbarkeit und um uns zum gemeinsamen Engagement für dieses Land anzuspornen.
Wie wir gehört haben, dankt Jesus dem Vater nicht für außergewöhnliche Werke, sondern dafür, dass er seine Größe gerade den Kleinen und Demütigen offenbart, denen, die keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die scheinbar wenig oder gar nichts zählen, die keine Stimme haben. Das Reich, das mit dem Kommen Jesu anbricht, hat in der Tat genau diese Eigenschaft, von der uns der Prophet Jesaja erzählt hat: Es ist ein Spross, ein kleiner Zweig, der aus einem Stamm erwächst (vgl. Jes 11,1), eine kleine Hoffnung, die neues Leben verheißt, wenn alles abzusterben scheint. So wird der Messias angekündigt, und da er in der Kleinheit eines Sprosses kommt, kann er nur von den Kleinen erkannt werden, von denen, die ohne große Ansprüche die verborgenen Details, die Spuren Gottes in einer scheinbar ausweglosen Geschichte erkennen können.
Das ist ein Hinweis auch für uns, damit wir fähig werden, diesen kleinen jungen Trieb zu erkennen, der selbst unter schmerzlichen Umständen sprießt und gedeiht. Kleine Lichter, die in der Nacht leuchten, kleine Triebe, die sprießen, kleine Samen, die in den trockenen Garten dieses Moments der Geschichte gepflanzt wurden: auch wir können sie sehen, auch hier, auch heute. Ich denke an euren einfachen und echten Glauben, der in euren Familien verwurzelt ist und durch christliche Schulen genährt wird; ich denke an das beständige Wirken der Pfarreien, Kongregationen und Bewegungen, um den Anliegen und Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden; ich denke an die vielen Priester und Ordensleute, die sich trotz zahlreicher Schwierigkeiten ganz ihrer Aufgabe widmen; ich denke an die Laien, die sich im Bereich der Caritas und für die Verbreitung des Evangeliums in der Gesellschaft engagieren. Wegen dieser Lichter, die mühsam die Dunkelheit der Nacht zu erhellen suchen, aufgrund dieser kleinen und unsichtbaren Keimlinge, die jedoch Hoffnung für die Zukunft geben, müssen wir heute wie Jesus sagen: „Wir preisen dich, Vater!“ Wir danken dir, dass du bei uns bist und uns nicht wanken lässt.
Gleichzeitig darf diese Dankbarkeit nicht eine nur gefühlte illusorische Tröstung bleiben. Sie muss uns zu einer Wandlung des Herzens, zu einer Umkehr im Leben führen, zu der Erkenntnis, dass Gott unser Leben gerade im Licht des Glaubens, in der Verheißung der Hoffnung und in der Freude der Liebe gedacht hat. Deshalb sind wir alle aufgerufen, diese zarten Sprösslinge zu pflegen, uns nicht entmutigen zu lassen, nicht der Logik der Gewalt und der Idolatrie des Geldes nachzugeben, uns nicht mit dem um sich greifenden Bösen abzufinden.
Jeder muss seinen Teil dazu beitragen, und wir alle müssen unsere Kräfte bündeln, damit dieses Land wieder zu seiner früheren Pracht zurückfinden kann. Und dafür gibt es nur einen Weg: Entwaffnen wir unsere Herzen, lassen wir die Panzerung unserer ethnischen und politischen Verschlossenheit fallen, öffnen wir unsere religiösen Bekenntnisse für die Begegnung miteinander und wecken wir in unserem Inneren neu den Traum von einem geeinten Libanon, in dem der Friede und die Gerechtigkeit triumphieren, in dem sich alle als Brüder und Schwestern anerkennen können und in dem endlich Wirklichkeit wird, was uns der Prophet Jesaja beschreibt: »Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie« (Jes 11,6).
Dies ist der Traum, der euch anvertraut ist, das ist es, was der Gott des Friedens in eure Hände legt: Libanon, steh wieder auf! Sei ein Haus der Gerechtigkeit und der Geschwisterlichkeit! Sei ein Vorbote des Friedens für die ganze Levante!
Brüder und Schwestern, auch ich möchte mit den Worten Jesu sagen: „Ich preise dich, Vater“. Ich danke dem Herrn dafür, dass ich diese Tage mit euch verbringen durfte, während ich eure Leiden und eure Hoffnungen in meinem Herzen trage. Ich bete für euch, damit dieses Land in der Levante immer vom Glauben an Jesus Christus, Sonne der Gerechtigkeit, erleuchtet sei und dank ihm die Hoffnung bewahre, die niemals untergeht.
BREAKING
— Catholic Arena (@CatholicArena) December 2, 2025
120,000 Lebanese are at Mass with Pope Leo XIV in Beirut
The pope's visit has lifted the nation of Lebanon pic.twitter.com/mKxsTxjNkN
© 2025 www.kath.net