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| ![]() Mater populi fidelisvor 8 Stunden in Aktuelles, 11 Lesermeinungen Der Vatikan hat am Dienstag eine "Lehrmäßige Note" des Leiters der römischen Glaubensbehörde veröffentlicht - Titel wie "Miterlöserin" oder "Gnadenvermittlerin" für die Muttergottes werden darin abgelehnt Vatikan (kath.net/KAP/red) Der Vatikan hat am Dienstag eine "Lehrmäßige Note" des Leiters der römischen Glaubensbehörde veröffentlicht, in der einige marianische Titel, die sich auf das Mitwirken Marias am Heilswerk beziehen thematisiert werden.. In dem Text "Mater populi fidelis" (Mutter des gläubigen Volkes) spricht sich der Vatikan deutlich dafür aus, Titel wie "Miterlöserin" oder "Gnadenmittlerin" in Marienverehrung und Theologie zu vermeiden. Zur Begründung heißt es, solche Bezeichnungen schadeten einer "angemessenen Betrachtung der christlichen Botschaft in ihrer harmonischen Gesamtheit". Mit dem Dokument versucht der Vatikan, eine innerkirchliche Debatte seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu beenden, die seit Johannes Paul II. (1978-2005) wieder deutlich an Fahrt aufgenommen hatte. Der Papst aus Polen hatte mehrmals von "Maria als Miterlöserin" gesprochen. Johannes Pauls II. damaliger Glaubenshüter Kardinal Joseph Ratzinger - der später selbst Papst Benedikt XVI. wurde - hatte aber bereits 2002 erklärt, die "Formel 'Miterlöserin'" entferne sich von der Sprache der Bibel und rufe Missverständnisse hervor. Ratzinger weiter: "Auch Maria ist alles, was sie ist, durch Christus. Das Wort 'Miterlöserin' würde diesen Ursprung verdunkeln." Diesem Argument schließt sich nun Kardinal Fernandez an und erklärt: "Angesichts der Notwendigkeit, die Christus gegenüber untergeordnete Rolle Marias im Erlösungswerk darzulegen, ist die Verwendung des Titels der Miterlöserin immer unangebracht, wenn es darum geht, Marias Mitwirkung daran zu definieren." Dieser Titel berge die Gefahr, "die einzigartige Heilsvermittlung Christi zu verschleiern", und könne daher zu Verwirrung führen. Klar spricht sich Fernandez auch dagegen aus, Maria als "Mittlerin" der Gnade Gottes anzusehen. Er schreibt: "Die Rolle der Mittlerschaft kommt ausschließlich dem Mensch-Sein Christi zu." Angesichts der "Klarheit im geoffenbarten Wort Gottes" sei "bei der Anwendung des Titels der 'Mittlerin' auf Maria besondere Vorsicht angezeigt". Weiter erklärt der Vatikan: "Keine menschliche Person, nicht einmal die Apostel oder die Gottesmutter, kann als universaler Spender der Gnade handeln. Nur Gott kann Gnade gewähren, und er tut dies durch die Menschheit Christi." Christus als einziger Mittler Maria sei zwar "voll der Gnade"; doch wirke sie "durch eine abgeleitete und untergeordnete Teilhabe". Daher müsse jede Rede über eine Vermittlung von Gnade durch Maria in Beziehung zu der einzigartigen Mittlerschaft Christi verstanden werden. Ausdrücklich verweist Fernandez im Vorwort darauf, dass der Text zur Vertiefung der Marienverehrung dienen und den "Platz Marias" im Lichte des einzigartigen "Mysteriums Christi als einzigem Mittler und Erlöser" verdeutlichen solle. Das setze "tiefe Treue zur katholischen Identität und gleichzeitig ein besonderes ökumenisches Bemühen" voraus.
DIKASTERIUM FÜR DIE GLAUBENSLEHRE - Mater populi fidelis Lehrmäßige Note zu einigen marianischen Titeln, die sich auf das Mitwirken Marias am Heilswerk beziehen Vorwort Diese Note antwortet auf zahlreiche Anfragen und Vorschläge, die in den letzten Jahrzehnten beim Heiligen Stuhl – insbesondere bei diesem Dikasterium – zu Fragen der Marienverehrung und zu einigen Marientiteln eingegangen sind. Es handelt sich um Fragen, die die letzten Päpste beschäftigt haben und die in den letzten dreißig Jahren in den verschiedenen Arbeitsbereichen des Dikasteriums, wie Kongressen, Ordentlichen Sitzungen des Dikasteriums usw. wiederholt erörtert wurden. Dies ermöglicht es diesem Dikasterium aus einem reichlichen und reichhaltigen Material für diese Überlegungen zu schöpfen. Während der Text klarstellt, in welchem Sinne einige Titel und Ausdrücke, die sich auf Maria beziehen, annehmbar sind oder nicht, zielt er gleichzeitig darauf ab, in einer Vertiefung der angemessenen Grundlagen der Marienverehrung den Platz Marias in ihrer Beziehung zu den Gläubigen im Lichte des Mysteriums Christi als einzigem Mittler und Erlöser zu verdeutlichen. Dies setzt eine tiefe Treue zur katholischen Identität und gleichzeitig ein besonderes ökumenisches Bemühen voraus. Der Leitfaden, der sich durch alle Seiten des Dokumentes zieht, ist die Mutterschaft Mariens im Hinblick auf die Gläubigen, eine Frage, die mehrfach erscheint, mit Aussagen, die immer wieder aufgenommen und auf einer höheren Ebene mit neuen Überlegungen angereichert und ergänzt werden. Die aus ihrer Mutterschaft herrührende Verehrung Marias wird hier als Schatz der Kirche dargestellt. Die Verehrung des gläubigen Volkes Gottes, das in Maria Zuflucht, Kraft, Zärtlichkeit und Hoffnung findet, soll mit diesen Betrachtungen nicht korrigiert, sondern vielmehr zur Geltung gebracht, bewundert und gefördert werden, da sie ein mystagogischer und symbolischer Ausdruck einer evangeliumsgemäßen Haltung des Vertrauens auf den Herrn ist, die der Heilige Geist selbst in den Gläubigen frei hervorruft. Tatsächlich finden die Armen »im Angesicht Marias die Zärtlichkeit und Liebe Gottes. Darin sehen sie die wesentliche Botschaft des Evangeliums widergespiegelt«. Zugleich gibt es einige mariologische Kreise, Veröffentlichungen, neue marianische Andachtsformen und Anfragen nach marianischen Dogmen, die nicht die gleichen Merkmale der Volksfrömmigkeit aufweisen, sondern die letztendlich eine gewisse dogmatische Entwicklung vorschlagen und sich intensiv über soziale Netzwerke äußern, was bei den ganz einfachen Gläubigen häufig Zweifel hervorruft. Manchmal handelt es sich um Neuinterpretationen von Ausdrücken, die in der Vergangenheit mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wurden. Das vorliegende Dokument berücksichtigt diese Anregungen, um aufzuzeigen, inwieweit einige von ihnen einer echten, vom Evangelium inspirierten Marienverehrung entsprechen, und inwieweit andere vermieden werden sollten, weil sie einer angemessenen Betrachtung der christlichen Botschaft in ihrer harmonischen Gesamtheit nicht zuträglich sind. Andererseits zeigen verschiedene Passagen dieser Note eine umfangreiche biblische Entwicklung auf, die dazu beiträgt, zu zeigen, wie die authentische Marienverehrung nicht nur in der reichen Tradition der Kirche, sondern bereits in der Heiligen Schrift aufscheint. Diese klare biblische Prägung wird von Texten der Kirchenväter, der Kirchenlehrer und der letzten Päpste begleitet. Auf diese Weise versucht die Note weniger, Grenzen aufzuzeigen, als die Liebe zu Maria und das Vertrauen in ihre mütterliche Fürsprache zu begleiten und zu stärken. Víctor Manuel Kard. Fernández, Präfekt Einführung 1. [Mater populi fidelis] Christen betrachten die Mutter des gläubigen Volkes Gottes mit Zuneigung und Bewunderung, denn da die Gnade uns Christus ähnlich macht, ist Maria der vollkommenste Ausdruck dieses ihres Wirkens, das unsere Menschlichkeit verwandelt. Sie ist die weibliche Äußerung all dessen, was die Gnade Christi in einem Menschen bewirken kann. Angesichts dieser Schönheit waren viele Gläubige aus Liebe immer bemüht, sich mit den schönsten Worten an die Mutter zu wenden und den besonderen Platz hervorzuheben, den sie zusammen mit Christus einnimmt. 2. Vor kurzem hat dieses Dikasterium Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene veröffentlicht. Es kommt oft vor, dass im Zusammenhang mit den besagten Phänomenen im Bezug auf die Jungfrau Maria bestimmte Titel und Bezeichnungen verwendet werden. Diese Titel, einige kommen bereits bei den Kirchenvätern vor, werden nicht immer präzise verwendet; manchmal wird deren Bedeutung verändert oder sie können missverstanden werden. Neben den terminologischen Problemen bereiten einige Titel auch inhaltlich große Schwierigkeiten, da sie häufig zu einem falschen Verständnis der Gestalt Mariens führen, was schwerwiegende Auswirkungen auf christologischer, ekklesiologischer und anthropologischer Ebene hat. 3. Das Hauptproblem bei der Auslegung dieser auf die Jungfrau Maria angewandten Titel ist die Frage, wie das Mitwirken Marias am Erlösungswerk Christi zu verstehen ist, d.h. »was ist die Bedeutung dieses einzigartigen Mitwirkens Marias am Heilsplan?« Das vorliegende Dokument versucht, ohne das Thema erschöpfend behandeln zu wollen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, das notwendige Gleichgewicht zu wahren, das innerhalb der christlichen Glaubensgeheimnisse zwischen der einzigartigen Mittlerschaft Christi und dem Mitwirken Mariens am Heilswerk gewahrt werden muss, und versucht ebenso aufzuzeigen, wie dies in den verschiedenen marianischen Titeln zum Ausdruck kommt. Das Mitwirken Marias am Heilswerk 4. Traditionell wird das Mitwirken Marias am Heilswerk aus einer doppelten Perspektive betrachtet, nämlich ihrer Teilnahme an der objektiven Erlösung, welche Christus während seines Lebens und besonders im Paschageschehen gewirkt hat, und dann im Hinblick auf ihren heutigen Einfluss auf die Erlösten. In Wirklichkeit sind diese Fragen miteinander verknüpft und können nicht isoliert betrachtet werden. 5. Diese Teilhabe Marias am Erlösungswerk Christi ist in der Heiligen Schrift bezeugt, die das in Jesus Christus verwirklichte Heilsgeschehen in den Schriften des Alten Testaments als Verheißung und im Neuen Testament als Verwirklichung darstellt. So erahnt man in Gen 3,15 Maria, denn sie ist die Frau, die am endgültigen Sieg über die Schlange teilhat. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Jesus Maria in der Szene auf dem Kalvarienberg als »Frau« anspricht (Joh 19,26). Auch in Kana nennt Jesus sie »Frau« (Joh 2,4) und verweist damit auf Maria und ihre Rolle, zusammen mit ihm, in der „Stunde“ des Kreuzes. 6. Dort, in dieser „Stunde“, wird das Mitwirken Marias sichtbar, die noch einmal wie bei der Verkündigung ihr „Ja“ spricht, und das Evangelium geht in diesem heiligen Moment dazu über, sie als »Mutter« vorzustellen (Joh 19,27), indem es Jesus das Wort »Frau« in den Mund legt (Joh 19,26). Wenn das Evangelium erklärt, dass der Jünger, der uns alle repräsentiert, sie daraufhin aufnahm, verwendet es ein Verb (lambanō), das im Evangelium den Sinn von „im Glauben aufnehmen“ annimmt (vgl. Joh 1,11-12; 5,43 und 13,20). Es ist dasselbe Verb, das das vierte Evangelium verwendet, um auszudrücken, dass das Licht zu den Seinen kam und sie es nicht »aufnahmen« (Joh 1,11). Das heißt, der Jünger, der unseren Platz an der Seite Marias eingenommen hat, hat sie als Mutter im Glauben aufgenommen. Erst nachdem Jesus uns Maria zur Mutter gegeben hat, weiß er, dass »alles vollbracht ist« (Joh 19,28). Diese feierliche Anspielung auf die Vollendung verwehrt eine oberflächliche Interpretation dieser Episode. Die Mutterschaft Marias uns gegenüber ist Teil der Erfüllung des göttlichen Plans, der sich im Paschageheimnis Christi verwirklicht. In einem ähnlichen Sinne stellt die Apokalypse die »Frau« (Offb 12,1) als Mutter des Messias (vgl. Offb 12,5) und als Mutter ihrer »übrigen Nachkommen« (Offb 12,17) vor. 7. Es sei daran erinnert, dass Maria von Nazaret als die »privilegierte Zeugin« der in den Evangelien erwähnten Ereignisse der Kindheit Jesu (vgl. Lk 1-2; Mt 1-2) angesehen werden kann. Im Prolog seines Evangeliums unterrichtet Lukas seine Leser: »Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren«. So hat auch er sich entschlossen, »allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen« (Lk 1,1-3). Unter diesen Augenzeugen ist Maria, die unmittelbare Protagonistin der Empfängnis, der Geburt und der Kindheit Jesu, des Herrn, hervorzuheben. Dasselbe gilt für die Berichte über die Passion, da seine Mutter »bei dem Kreuz Jesu« stand (Joh 19,25), und für das Warten auf Pfingsten, als die Apostel »einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu« (Apg 1,14) verharrten. 8. Im Lukasevangelium ist Maria die neue Tochter Zion, die die Freude des Heils empfängt und weitergibt. Lukas greift die prophetischen Verheißungen auf, die die messianische Freude ankündigten (vgl. Zeph 3,14-17; Sach 9,9). In ihr erfüllen sich die Verheißungen, die Johannes den Täufer vor Freude hüpfen ließen (vgl. Lk 1,41). Elisabet bekennt sich unwürdig angesichts des Besuchs Marias: »Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zum mir kommt« (Lk 1,43). Elisabet sagt nicht: »Wer bin ich, dass mein Herr zu mir kommt.« Sie bezieht sich direkt auf die Mutter, was auf die untrennbare Verbindung zwischen der Sendung Christi und der Marias hinweist. Elisabet spricht erfüllt vom Heiligen Geist (vgl. Lk 1,41), so dass ihre Haltung gegenüber Maria als ein Vorbild des Glaubens aufscheint. Die weiteren Worte, die sie bewegt vom Geist spricht, lauten: »Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes« (Lk 1,42). Es ist bemerkenswert, dass es ihr, inspiriert vom Heiligen Geist, nicht genügt, Jesus „gesegnet“ zu nennen, sondern dass sie auch seine Mutter „gesegnet“ nennt. Sie sieht sie in diesem Moment der messianischen Freude eng miteinander verbunden. Maria erscheint hier als die „Selige“ schlechthin: »Selig ist die, die geglaubt hat« (Lk 1,45); »mein Geist jubelt« (Lk 1,47); »von nun an preisen mich selig alle Geschlechter« (Lk 1,48). Dies gewinnt noch größere Bedeutung angesichts dessen, dass diese Seligkeit im Lukasevangelium nicht als Gemütszustand vorkommt, sondern als die Erfüllung der messianischen Verheißungen in den Kleinen (vgl. Lk 6,20-22), denn ihr Lohn im Himmel wird groß sein (vgl. Lk 6,35). 9. In den ersten Jahrhunderten des Christentums interessierten sich die Kirchenväter vor allem für die göttliche Mutterschaft Marias (Theotokos), ihre immerwährende Jungfräulichkeit (Aeiparthenos), ihre vollkommene Heiligkeit, die ihr ganzes Leben lang frei von Sünde war (Panagia), und ihre Rolle als neue Eva, wobei sie sich im Geheimnis der Menschwerdung auf die Betrachtung der Verbindung Marias mit der Erlösung durch Christus konzentrierten. Marias „Ja“ auf den Gruß des Erzengels Gabriel, damit das Wort Gottes in ihrem Schoß Fleisch werde (vgl. Lk 1,26-37), gibt dem Menschen die Möglichkeit, vergöttlicht zu werden. Deshalb nennt der heilige Augustinus die Jungfrau »Mitarbeiterin« an der Erlösung und unterstreicht damit sowohl das gemeinsame Handeln Marias mit Christus als auch ihre Unterordnung unter ihn, denn Maria wirkt mit Christus zusammen, damit »die Gläubigen in der Kirche« geboren werden und deshalb dürfen wir sie Mutter des gläubigen Volkes Gottes nennen. 10. Während des ersten Jahrtausends verweist das Nachdenken über die Jungfrau Maria in der Kirche auf die Liturgie. Die große und reiche Vielfalt der liturgischen Traditionen des christlichen Ostens wollte ein getreues Echo auf die Heilige Schrift, die Konzilien und die Kirchenväter sein. Die lex orandi, die zur lex credendi wurde, prägt die östliche Mariologie von der Hymnographie über die Ikonographie bis hin zur Volksfrömmigkeit. So wurden beispielsweise ab dem 5. Jahrhundert im Orient Marienfeste eingeführt, die später, im 7. Jahrhundert, auch vom Westen übernommen wurden. Die Teilnahme der Mutter Gottes am Werk der Erlösung wird nicht nur in den Anaphorä und eucharistischen Liturgien der Ostkirchen gefeiert, sondern vor allem in den hymnographischen Texten des kanonischen Stundengebets der verschiedenen liturgischen Traditionen des christlichen Ostens. In der Hymnographie gibt es unzählige Maria gewidmete Kompositionen mit biblischen Allegorien; sie ermöglichten eine Vertiefung des grundlegenden Geheimnisses der Menschwerdung und deren Bedeutung für die Erlösung in Christus in einer Sprache voller poetischer Symbolik, die wiederum in der Lage ist, das Erstaunen und die Verwunderung derer auszudrücken, die aus dem gleichen Geschlecht wie Maria stammen und die Wunder betrachten, die der Allmächtige in ihr gewirkt hat. 11. Die Lehren der ersten ökumenischen Konzilien beginnen das Dogma über Maria, die Mutter Gottes, das später auf dem Konzil von Ephesus verkündet wurde, zu entfalten. Der christliche Osten hat die von diesen frühen Konzilien definierten Dogmen lehrmäßig stets hochgehalten, zumindest in den Kirchen, die die Konzilien von Ephesus und Chalcedon angenommen haben. Gleichzeitig hat er in seinen liturgischen, hymnischen und ikonographischen Traditionen die volkstümlichen Marienerzählungen und -legenden im Hinblick auf die Berichte über die Kindheit und das Sterben Jesu aufgegriffen. Diese Erzählungen suchen die Frömmigkeit des Gottesvolkes zu nähren und verleihen der Lyrik der poetischen Bilder Ausdruck, die nichts Anderes zum Ziel haben, als Staunen zu erwecken. Dieselbe Verehrung der Gottesmutter kommt ebenso in der Ikonographie zum Ausdruck, die ein visuelles Bild Marias und des menschgewordenen Wortes bietet. Es ist bezeichnend, dass die traditionellen Ikonographien jener eng mit den Konzilien von Ephesus und Chalcedon verbunden Kirchen, Maria meist als »Theotokos« darstellen; sie wurden geschaffen mit dem Ziel, die Jungfrau-Mutter in bildlicher Form zu betrachten , die ihren Sohn, das Jesuskind, der Welt vorstellt und es umarmt, während sie für die Menschheit vor ihrem Sohn Fürsprache einlegt. Die östliche marianische Ikonographie, verstanden als Kerygma und visuelles Gedächtnis in Farbe der Theologie der frühen Konzilien und der Kirchenväter, will also eine visuelle Übersetzung der spezifischen Titel sein, die der Gottesmutter verliehen werden. Aus diesem Grund müssen die Ikonen von der Liturgie und der Hymnographie her „gelesen“ werden. Maria wird nicht neben Christus verehrt, vielmehr ist sie durch die Menschwerdung Teil des Geheimnisses Christi. Sie ist die Ikone, in der Christus selbst verehrt wird. Sie ist die Theotokos, die jungfräuliche Mutter, die uns ihren Sohn Jesus, den Christus, zeigt, und sie ist zugleich die Hodēghētria, die mit ihrer Hand auf den einen Weg hinweist, der Christus ist. 12. Ab dem 12. Jahrhundert nimmt die abendländische Theologie jene Beziehung in ihren Blick, die die Jungfrau Maria mit dem Geheimnis der blutigen Erlösungstat auf Golgota vereint und bezieht Simeons Bild vom Schwert auf das Kreuz Christi. Die Anwesenheit Marias am Fuße des Kreuzes wird als Zeichen christlicher Tapferkeit voll mütterlicher Liebe verstanden. Der heilige Bernhard von Clairvaux spricht in einem Kommentar zum Fest der Darstellung Jesu im Tempel von der Mitwirkung der Gottesmutter am Erlösungsopfer. Arnaldus, ein Freund des heiligen Bernhard und Benediktinerabt von Bonneval († nach 1159), betrachtet zum ersten Mal die Mitwirkung Marias am Kreuzesopfer ihres Sohnes Jesus Christus. 13. Das Mitwirken der Mutter mit ihrem Sohn am Werk der Erlösung ist vom Lehramt der Kirche dargelegt worden. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: »Mit Recht also sind die heiligen Väter der Überzeugung, daß Maria nicht bloß passiv von Gott benutzt wurde, sondern in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt hat.« Diese Verbindung mit der Jungfrau ist sowohl im irdischen Leben Jesu Christi (Empfängnis, Geburt, Tod und Auferstehung) gegenwärtig als auch in der Zeit der Kirche. 14. Das Dogma der Unbefleckten Empfängnis unterstreicht den Vorrang und die Einzigartigkeit Christi bei der Erlösung, denn, noch vor jeder Möglichkeit ihres eigenen Handelns, wird die erste Erlöste ebenfalls von Christus erlöst und durch den Heiligen Geist verwandelt. Aus diesem besonderen Zustand heraus, die „Erste der von Christus Erlösten“ und die „Erste vom Heiligen Geist Verwandelte“ zu sein, kann Maria intensiver und tiefer mit Christus und dem Geist zusammenwirken und so zum Prototyp, Modell und Beispiel dessen werden, was Gott in jedem erlösten Menschen bewirken will. 15. Das Mitwirken Marias am Heilswerk hat eine trinitarische Grundstruktur, denn es ist die Frucht einer Initiative des Vaters, der auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut hat (vgl. Lk 1,48); es entspringt der Kenōsis des Sohnes, der sich selbst erniedrigte und die Gestalt eines Knechts angenommen hat (vgl Phil 2,7-8), und es ist eine Wirkung der Gnade des Heiligen Geistes (vgl. Lk 1,28.30), der das Herz der jungen Frau von Nazaret für ihre Antwort bei der Verkündigung und während ihres ganzen Lebens in Gemeinschaft mit ihrem Sohn bereitet hat. Der heilige Paul VI. lehrte: »Bei Maria ist alles auf Christus hin bezogen und von ihm abhängig: Im Hinblick auf ihn hat sie Gottvater von aller Ewigkeit her als ganz heilige Mutter erwählt und sie mit den Gaben des Heiligen Geistes ausgestattet, wie sie keinem anderen zuteil geworden sind.« Das Ja Marias ist keine bloße Vorbedingung für etwas, das ohne ihre Zustimmung und Mitarbeit hätte geschehen können. Ihre Mutterschaft ist nicht einfach biologisch und passiv, sondern eine »wirkliche« Mutterschaft, die sich dem Heilsgeheimnis Christi als ein vom Vater geliebtes Werkzeug für seinen Heilsplan zur Verfügung stellt. Sie »bürgt dafür, dass er, als „von der [Frau] geboren“ (Gal 4,4), echter Mensch ist, aber sie ist auch, sobald das nikänische Dogma verkündet ist, Theotokos, Gottesgebärerin«. Titel, die sich auf das Mitwirken Marias am Heilswerk beziehen 16. Unter den Titeln, mit denen Maria angerufen wird (Mutter der Barmherzigkeit, Hoffnung der Armen, Hilfe der Christen, Beistand, Fürsprecherin usw.), gibt es einige, die sich in größerem Maße auf ihre Mitwirkung am Erlösungswerk Christi beziehen, wie zum Beispiel Miterlöserin und Mittlerin.
17. Der Titel Miterlöserin erscheint im 15. Jahrhundert als Korrektur der Anrufung Erlöserin (als Abkürzung von Mutter des Erlösers), wie Maria seit dem 10. Jahrhundert genannt wurde. Der heilige Bernhard weist Maria eine Rolle am Fuße des Kreuzes zu, die als Ursprung des Titels Miterlöserin gelten darf, der zum ersten Mal in einem anonymen Salzburger Hymnus aus dem 15. Jahrhundert erscheint. Obwohl der Titel Erlöserin im 16. und 17. Jahrhundert beibehalten wurde, verschwand er im 18. Jahrhundert ganz, um durch Miterlöserin ersetzt zu werden. Die theologische Forschung über Marias Mitwirkung an der Erlösung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte zu einer weiteren Untersuchung des Inhalts des Titels der Miterlöserin. 18. Einige Päpste haben diesen Titel verwendet, ohne ihn näher zu erläutern. Sie haben ihn im Allgemeinen auf zwei unterschiedliche Weisen verwendet, nämlich entweder in Bezug auf die göttliche Mutterschaft, insofern Maria als Mutter Jesu Christi die durch ihn vollbrachte Erlösung ermöglicht hat, oder in Bezug auf ihre Verbindung mit Christus beim Werk der Erlösung am Kreuz. Das Zweite Vatikanische Konzil hat es aus dogmatischen, pastoralen und ökumenischen Gründen vermieden, den Titel Miterlöserin zu verwenden. Der heilige Johannes Paul II. hat ihn mindestens sieben Mal verwendet und ihn vor allem mit dem Heilswert unseres Leidens in Vereinigung mit dem Leiden Christi, mit dem sich Maria vor allem am Kreuz vereint, in Verbindung gebracht. 19. Anlässlich der Feria IV vom 21. Februar 1996 antwortete der Präfekt der damaligen Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Joseph Ratzinger, auf die Frage, ob die Forderung der Bewegung Vox Populi Mariae Mediatrici nach einer Definition des Dogmas über Maria als Miterlöserin oder Mittlerin aller Gnaden annehmbar sei, mit seinem persönlichen Votum: »Negativ. Die genaue Bedeutung d[ies]er Titel ist nicht klar, und die in ihnen enthaltene Lehre ist nicht ausgereift. Eine de fide definierte Lehre gehört zum Depositum fidei, d.h. zur göttlichen Offenbarung, die in der Heiligen Schrift und der apostolischen Überlieferung vermittelt wird. Noch ist nicht klar zu erkennen, wie die in den Titeln ausgedrückte Lehre in der Heiligen Schrift und der apostolischen Überlieferung enthalten sei.« Später, im Jahr 2002, sprach er sich öffentlich gegen die Verwendung dieses Titels aus: »Die Formel „Miterlöserin“ [entfernt] sich [zu weit] von der Sprache der Schrift und der Väter und [ruft] daher Mißverständnisse hervor... Alles kommt von ihm, wie es besonders der Epheser- und der Kolosserbrief sagen; auch Maria ist alles, was sie ist, durch ihn. Das Wort „Miterlöserin“ würde diesen Ursprung verdunkeln.« Kardinal Ratzinger leugnete nicht, dass es gute Absichten und wertvolle Aspekte in der vorgeschlagenen Verwendung dieses Titels gibt, aber er war der Überzeugung, sie drücke sich »in einem falschen Wort aus«. 20. Der damalige Kardinal erwähnte den Epheser- und Kolosserbrief, in denen das verwendete Vokabular und die theologische Dynamik der Hymnen die einzigartige soteriologische Zentralität des menschgewordenen Gottessohnes als eigentlicher Quelle auf eine Weise darstellt, dass die Möglichkeit ausgeschlossen bleibt, andere Mittlerschaften hinzuzufügen, denn »aller Segen« ist uns »in Christus« gegeben (vgl. Eph 1,3), weil wir durch ihn zu Söhnen werden (vgl. Eph 1,5) und in ihm begnadet sind (vgl. Eph 1,6), »durch sein Blut haben wir die Erlösung« (Eph 1,7) und Er hat uns »mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt« (Eph 1,8). Durch ihn »sind wir auch als Erben vorherbestimmt und eingesetzt« (Eph 1,11). Und Gott wollte »mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen« (Kol 1,19), »um durch ihn alles zu versöhnen« (Kol 1,20). Ein derartiges Lob auf die einzigartige Stellung Christi erfordert es, alle Geschöpfe in einer eindeutig empfangenden Rolle zu sehen und eine glaubende und umsichtige Vorsicht walten zu lassen, wenn es darum geht, irgendeine Form eines möglichen Mitwirkens im Bereich der Erlösung in Betracht zu ziehen. 21. Papst Franziskus hat mindestens bei drei Gelegenheiten seine eindeutige Position gegen die Verwendung des Titels der Miterlöserin zum Ausdruck gebracht und führte an, dass Maria »nie etwas von ihrem Sohn für sich selbst [hat] beanspruchen wollen. Sie hat sich nie als Mit-Erlöserin präsentiert. Nein, Jüngerin«. Das Erlösungswerk ist vollkommen und bedarf keinerlei Ergänzung. Deshalb, »die Gottesmutter wollte Jesus keinen Titel wegnehmen […]. Sie hat nicht für sich darum gebeten, eine Quasi-Erlöserin oder Mit-Erlöserin zu sein: nein. Der Erlöser ist einer allein, und dieser Titel verdoppelt sich nicht.« Christus »ist der einzige Erlöser: Es gibt keine Mit-Erlöser neben Christus«. Denn, »das mit liebender und gehorsamer Gesinnung dargebrachte Opfer am Kreuz [bietet] die ob der Sünden des Menschengeschlechtes geschuldete Genugtuung in überreichem und unendlichem Maße«. Wir können zwar dessen Wirkungen in der Welt verlängern (vgl. Kol 1,24), aber weder die Kirche noch Maria können das bereits vollkomme und keiner weiteren Ergänzung bedürfende Erlösungswerk des menschgewordenen Gottessohnes ersetzen oder vervollkommnen. 22. Angesichts der Notwendigkeit, die Christus gegenüber untergeordnete Rolle Marias im Erlösungswerk darzulegen, ist die Verwendung des Titels der Miterlöserin immer unangebracht, wenn es darum geht, Marias Mitwirkung daran zu definieren. Dieser Titel birgt die Gefahr in sich, die einzigartige Heilsvermittlung Christi zu verschleiern und kann daher zu Verwirrung und einem Ungleichgewicht in der Harmonie der christlichen Glaubenswahrheiten führen, denn »in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen« (Apg 4,12). Wenn eine Begrifflichkeit jedoch viele und ständige Erklärungen erfordert, um einem abweichendenen und irrigen Verständnis entgegenzuwirken, leistet er dem Glauben des Volkes Gottes keinen Dienst und wird unpassend. In diesem Fall ist es nicht hilfreich, Maria als erste und größte Mitarbeiterin am Werk der Erlösung und der Gnade hervorzuheben, denn die Gefahr, die ausschließliche Stellung Jesu Christi, des zu unserem Heil Mensch gewordenen Sohnes Gottes, der als einziger fähig ist, dem Vater ein Opfer von unendlichem Wert darzubringen, zu verdunkeln, wäre keine wahre Ehre für die Mutter. Denn als »Magd des Herrn« (Lk 1,38) weist sie uns auf Christus hin und fordert uns auf: »Was er euch sagt, das tut!« (Joh 2,5).
23. Der Begriff der Mittlerschaft wird in der östlichen Patristik seit dem 6. Jahrhundert verwendet. In späteren Jahrhunderten verwendeten der heilige Andreas von Kreta, der heilige Germanus von Konstantinopel und der heilige Johannes von Damaskus diesen Begriff mit unterschiedlichen Bedeutungen. Im Westen wurde er ab dem 12. Jahrhundert immer häufiger verwendet, obwohl er erst im 17. Jahrhundert als lehrmäßige These formuliert wurde. 1921 bat Kardinal Mercier, Erzbischof von Mechelen, in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit der Katholischen Universität Löwen und mit Unterstützung der Bischöfe, des Klerus und des belgischen Volkes, Papst Benedikt XV. um eine dogmatische Definition der universalen Mittlerschaft Mariens. Nichtsdestoweniger kam der damalige Papst dieser Bitte nicht nach; er approbierte lediglich ein Partikularfest »Maria, Mittlerin aller Gnaden« mit eigener Messe und Offizium. Von da an bis 1950 kam es zu einer Reihe theologischer Forschungen zu dieser Frage, die dann in die Vorbereitungsphase des Zweiten Vatikanischen Konzils gelangten. Dennoch verzichtete das Konzil diesbezüglich auf dogmatische Aussagen und zog es vor, eine umfassende Synthese »der katholischen Lehre über den Platz Mariens im Geheimnis Christi und der Kirche« vorzulegen. 24. Das biblische Urteil über die ausschließliche Mittlerschaft Christi ist in sich eindeutig. Christus ist der einzige Mittler, »denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle« (1 Tim 2,5-6). Die Kirche hat diese einzigartige Stellung Christi damit erklärt, daß er der ewige und unendliche Sohn ist; er ist mit dem von ihm angenommenen Menschsein hypostatisch vereint; die Rolle der Mittlerschaft kommt ausschließlich dem Menschsein Christi zu und die sich daraus ergebenden Konsequenzen können nur für Christus gelten. In genau diesem Sinne ist die Stellung des fleischgewordenen Wortes exklusiv und einzigartig. Angesichts dieser Klarheit im geoffenbarten Wort Gottes ist bei der Anwendung des Titels der „Mittlerin“ auf Maria besondere Vorsicht angezeigt. Angesichts der Tendenz, den Umfang des Mitwirkens Mariens ausgehend von diesem Begriff zu erweitern, ist es angebracht, näher zu bestimmen inwieweit dieser Terminus Gültigkeit besitzt und wo seine Grenzen liegen. 25. Einerseits können wir nicht übersehen, dass das Wort „Vermittlung“ in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sehr häufig verwendet wird, wo es einfach als Zusammenarbeit, Hilfe, Fürsprache verstanden wird. Es ist daher unvermeidlich, dass es auf Maria in einem untergeordneten Sinn angewandt wird und in keiner Weise beabsichtigt, der einzigartigen Mittlerschaft Jesu Christi, zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch, etwas an Wirksamkeit oder Vermögen hinzuzufügen. 26. Andererseits ist es offensichtlich, dass es eine Form der realen Mittlerschaft durch Maria gegeben hat, um die wahre Menschwerdung des Gottessohnes zu ermöglichen, denn es war erforderlich, dass der Erlöser »von einer Frau [geboren]« wurde (Gal 4,4). Die Erzählung der Verkündigung zeigt, dass es sich nicht nur um eine biologische Mittlerschaft handelte, denn sie unterstreicht die aktive Präsenz Marias, indem sie überlegt (vgl. Lk 1,29.34) und mit fester Entschiedenheit zustimmt: »Mir geschehe« (Lk 1,38). Die Antwort Marias öffnete das Tor zur Erlösung, auf die die ganze Menschheit hoffte und die die Heiligen mit poetischer Dramatik beschrieben haben. Auch auf der Hochzeit zu Kana erfüllt Maria eine Mittlerfunktion, als sie Jesus die Notlage der Brautleute schildert (vgl. Joh 2,3), und als sie die Diener bittet, den Anweisungen Jesu Folge zu leisten (vgl. Joh 2,5). 27. Der Begriff der Mittlerschaft in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils bezieht sich vor allem auf Christus und, manchmal, auch auf Maria, aber in deutlich untergeordneter Weise. In der Tat hat man es vorgezogen, für sie eine andere Begrifflichkeit zu verwenden, die sich auf das Mitwirken oder den mütterlichen Beistand konzentriert. Die Lehre des Konzils formuliert klar die Perspektive der mütterlichen Fürsprache Mariens, mit Ausdrücken wie »vielfache Fürsprache« und »mütterlicher Schutz«. Diese beiden Aspekte zusammen bilden das Besondere der Mitwirkung Mariens am Handeln Christi durch den Heiligen Geist. Streng genommen kann man von keiner anderen Gnadenvermittlung sprechen als von der des menschgewordenen Gottessohnes. Es ist daher notwendig, sich stets an die christliche Überzeugung zu erinnern und sie nicht zu verdunkeln: Es »ist fest zu glauben, dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Herr und der einzige Erlöser ist, der durch seine Menschwerdung, seinen Tod und seine Auferstehung die Heilsgeschichte, die in ihm ihre Fülle und ihren Mittelpunkt findet, zur Vollendung gebracht hat«. Maria in der einzigen Mittlerschaft Christi 28. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass die Einzigartigkeit der Mittlerschaft Christi „inklusiv“ ist, das heißt, Christus ermöglicht verschiedene Formen der Teilnahme an der Verwirklichung seines Heilsplans, denn in der Gemeinschaft mit ihm können wir alle in gewisser Weise Mitarbeiter Gottes, „Mittler“ füreinander sein (vgl. 1 Kor 3,9). Gerade weil Christus über unendliche und höchste Macht verfügt, kann er seine Geschwister zu wahrer Mitwirkung bei der Verwirklichung seiner Pläne zulassen und befähigen. Das Zweite Vatikanische Konzil stellte fest: So »schließt auch die Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlösers im geschöpflichen Bereich eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht aus, sondern erweckt sie«. Aus diesem Grund »bedarf [es] einer vertieften Anstrengung zu ergründen, was diese teilhabende Mittlerschaft bedeutet, die jedoch immer vom Prinzip der einzigen Mittlerschaft Christi normiert bleiben muss«. Es ist wahr, dass die Kirche die Auswirkungen des Osterereignisses Christi in der Zeit verlängert und überall mitteilt und dass Maria einen einzigartigen Platz im Herzen der Mutter Kirche einnimmt. 29. Die Teilnahme Marias am Werk Christi wird deutlich, wenn wir von der Überzeugung ausgehen, dass der auferstandene Herr die Gläubigen fördert, verwandelt und befähigt, mit ihm an seinem Werk mitzuwirken. Dies geschieht nicht aufgrund einer Schwäche, eines Unvermögens oder einer Notwendigkeit Christi selbst, sondern gerade aufgrund seiner herrlichen Macht, die in der Lage ist, uns großzügig und frei als Mitarbeiter an seinem Werk zu beteiligen. Was hier hervorgehoben werden soll, ist genau das folgende: Wenn er es uns erlaubt, ihn zu begleiten und unter dem Antrieb seiner Gnade das Beste von uns selbst zu geben, dann sind es seine eigene Macht und sein Erbarmen, die letztendlich verherrlicht werden. Fruchtbar im verherrlichten Christus 30. Besonders erhellend ist der Text: »Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater« (Joh 14,12). Die Gläubigen, die mit dem auferstandenen und in den Schoß des Vaters zurückgekehrten Christus verbunden sind, können Werke vollbringen, die die Wunder des irdischen Jesus übertreffen, aber immer dank ihrer Verbindung mit dem glorreichen Christus durch den Glauben. Das hat sich zum Beispiel in der erstaunlichen Ausbreitung der Urkirche gezeigt, weil der Auferstandene seine Kirche an seinem Werk teilhaben ließ (vgl. Mk 16,15). Auf diese Weise wurde seine Herrlichkeit nicht geschmälert, sondern kam noch mehr zum Vorschein, indem sie sich als eine Kraft erwies, die fähig ist, die Gläubigen zu verwandeln und sie mit ihm fruchtbar werden zu lassen. 31. Bei den Kirchenvätern fand dieser Gedanke im Kommentar zu Joh 7,37-39 eine besondere Ausprägung, denn einige interpretierten die Verheißung von »Strömen lebendigen Wassers« als auf die Gläubigen bezogen. Das heißt, die Gläubigen selbst, umgewandelt durch die Gnade Christi, werden zu Quellen für andere. Origenes erklärte, dass der Herr erfüllt, was er in Joh 7,38 ankündigt, weil er Wasserströme aus uns hervorkommen lässt: »Die Seele des Menschen, gemäß dem Bild Gottes gestaltet, kann in sich selbst Brunnen, Quellen und Flüsse haben und aus sich selbst hervorbringen.« Der heilige Ambrosius empfahl, von der offenen Seite Christi zu trinken, »damit die Quelle des Wassers in euch reichlich fließt und zum ewigen Leben entspringt«. Der heilige Thomas von Aquin drückte es so aus: »Wenn ein Gläubiger sich beeilt, die verschiedenen Gaben der Gnade, die er von Gott empfangen hat, anderen mitzuteilen, fließt lebendiges Wasser aus seinem Inneren.« 32. Wenn dies für jeden Gläubigen gilt, dessen Mitwirken mit Christus immer fruchtbarer wird, je mehr dieser sich von der Gnade umgestalten lässt, so gilt dies umso mehr für Maria, und zwar in einzigartiger und überragender Weise. Sie ist »die Begnadete« (Lk 1,28), die, ohne das Werk Gottes zu behindern, sagte: »Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38). Sie ist die Mutter, die der Welt den Urheber der Erlösung und der Gnade geschenkt hat, die am Kreuz stand (vgl. Joh 19,25), die mit dem Sohn litt und den Schmerz ihres mütterlichen, vom Schwert durchbohrten Herzens aufopferte (vgl. Lk 2,35). Sie war mit Christus von der Menschwerdung bis zum Kreuz und zur Auferstehung in einer exklusiven und höheren Weise verbunden, als jeder andere Gläubige. 33. All dies jedoch nicht aufgrund ihrer eigenen Verdienste, sondern weil die Verdienste Christi am Kreuz in besonderer und vorweggenommener Weise auf sie Anwendung fanden, zur Verherrlichung des einzigen Herrn und Erlösers. Sie ist letztendlich ein Loblied auf die Wirksamkeit der Gnade Gottes, so dass jede Anerkennung ihrer Schönheit unmittelbar zur Verherrlichung der Quelle alles Guten führt, nämlich der Dreifaltigkeit. Die unvergleichliche Größe Marias liegt in dem, was sie empfangen hat, und in ihrer vertrauensvollen Bereitschaft, sich vom Heiligen Geist durchströmen zu lassen. Wenn wir uns bemühen, ihr aktive Funktionen in Parallele zu denen Christi zuzuschreiben, entfernen wir uns von dieser unvergleichlichen Schönheit, die Maria eigen ist. Der Ausdruck „teilnehmende Mittlerschaft“ kann ein präzises und nützliches Verständnis der Stellung Mariens ausdrücken, jedoch – falsch verstanden – kann er dieses leicht verdunkeln und ihm sogar widersprechen. Die Mittlerschaft Christi, die in mancher Hinsicht „inklusiv“ oder partizipatorisch sein kann, ist in anderer Hinsicht exklusiv und nicht übertragbar.
34. Im Hinblick auf Maria vollzieht sich diese Mittlerschaft in mütterlicher Form, so wie sie es in Kana tat und wie es am Kreuz bestätigt wurde. Papst Franziskus hat es so erklärt: »Sie ist die Mutter. Und das ist der Titel, den sie von Jesus erhalten hat, genau dort, im Augenblick des Kreuzes (vgl. Joh 19,25-27). Deine Kinder, Du bist Mutter. [...] Sie hat die Gabe erhalten, eure Mutter zu sein, und die Pflicht, uns als Mutter zu begleiten, unsere Mutter zu sein.« 35. Der Titel Mutter hat seine Wurzeln in der Heiligen Schrift und bei den Kirchenvätern, er wird vom Lehramt vorgelegt und die Formulierung seines Inhalts hat bis zur Darlegung des Zweiten Vatikanischen Konzils und dem Begriff der geistlichen Mutterschaft in der Enzyklika Redemptoris Mater angedauert. Diese geistliche Mutterschaft Mariens ergibt sich aus ihrer leiblichen Mutterschaft gegenüber dem Gottessohn. Indem sie Christus leiblich das Leben schenkte, hat die Gottesmutter durch ihre freie und gläubige Annahme dieser Sendung im Glauben alle Christen, die Glieder des mystischen Leibes Christi sind, hervorgebracht; das heißt, sie hat den ganzen Christus geboren, Haupt und Glieder. 36. Die Teilnahme der Jungfrau Maria als Mutter am Leben ihres Sohnes, von der Menschwerdung bis zum Kreuz und zur Auferstehung, verleiht ihrer Mitwirkung am Erlösungswerk Christi einen einmaligen und einzigartigen Charakter, und zwar in besonderer Weise für die Kirche, »wenn sie die geistliche Mutterschaft Mariens zu allen Gliedern des mystischen Leibes bedenkt; in einer vertrauensvollen Anrufung, wenn sie die Fürsprache ihrer Mittlerin und Helferin erfährt«. Es ist dieser mütterliche Aspekt, der die Beziehung der Jungfrau zu Christus und ihr Mitwirken in jedem Augenblick des Heilswerkes kennzeichnet. In ihrer Sendung als Mutter hat Maria eine einzigartige Beziehung zum Erlöser und auch zu den Erlösten, von denen sie selbst die Erste ist. »Maria ist Typos der Kirche und der sich in ihr ereignenden neuen Geburt, sie ist mehr: sie ist das Realsymbol und der Inbegriff dieser Kirche selbst.« Es handelt sich um eine Mutterschaft, die aus ihrer Ganzhingabe und der Berufung, Dienerin des Geheimnisses zu werden, hervorgeht. In dieser Mutterschaft Mariens ist alles zusammengefasst, was wir über die Mutterschaft gemäß der Gnade und über den gegenwärtigen Platz Mariens in der ganzen Kirche sagen können. 37. Die geistliche Mutterschaft Marias hat einige besondere Merkmale: a) Sie findet ihre Grundlage in der Tatsache, dass sie die Mutter Gottes ist und ihre Mutterschaft gegenüber den Jüngern Christi und gegenüber allen Menschen fortsetzt. In diesem Sinne ist die Mitwirkung Mariens einzigartig und unterscheidet sich von der Mitwirkung der »anderen Geschöpfe«. Ihrer Fürsprache ist nicht das Merkmal einer priesterlichen Vermittlung zueigen, wie jener Christi, sondern ihre Mittlerschaft ist in der Ordnung und in der Analogie der Mutterschaft angesiedelt. Indem die Fürsprache Mariens mit ihrem Handeln verbunden ist, zeigen sich uns die vom Herrn zuteil gewordenen Gaben unter einem mütterlichen Aspekt der von der Zärtlichkeit und Nähe jener Mutter geprägt ist, die Jesus mit uns gemeinsam haben wollte (vgl. Joh 19,27). b) Die mütterliche Mitwirkung Mariens geschieht in Christus und ist daher eine teilhabende, sie ist »Teilhabe an der einzigen Quelle«, welche die Mittlerschaft Christi selbst ist. Maria tritt auf ganz persönliche Weise in die eine Mittlerschaft Christi ein. Die mütterliche Berufung Marias »gegenüber den Menschen aber verdunkelt oder mindert diese einzige Mittlerschaft Christi in keiner Weise, sondern zeigt ihre Wirkkraft. Jeglicher heilsame Einfluß der seligen Jungfrau auf die Menschen« entsprießt »dem Überfluß der Verdienste Christi, stützt sich auf seine Mittlerschaft, hängt von ihr vollständig ab und schöpft aus ihr seine ganze Wirkkraft«. In ihrer Mutterschaft ist Maria kein Hindernis, das zwischen den Menschen und Christus steht; im Gegenteil, ihre mütterliche Aufgabe ist untrennbar mit derjenigen Christi verbunden und auf ihn ausgerichtet. So verstanden, soll die Mutterschaft Mariens die einzigartige Verehrung, die allein Christus gebührt, nicht abschwächen, sondern beleben. Deshalb sind Titel und Bezeichnungen zu vermeiden, die sich auf Maria beziehen und sie als eine Art „Blitzableiter“ für die Gerechtigkeit des Herrn darstellen, so als ob Maria eine notwendige Alternative zur unzureichenden Barmherzigkeit Gottes wäre. Das Zweite Vatikanische Konzil hat bekräftigt, wie die Verehrung Mariens sein soll, nämlich eine Verehrung, »die sich am christologischen Zentrum des christlichen Glaubens orientiert, und zwar in der Weise, daß „wenn die Mutter geehrt wird, der Sohn [...] richtig erkannt, geliebt, verherrlicht wird“«. Schlußendlich ist die Mutterschaft Marias der freien Wahl des Vaters, dem Werk Christi und dem Wirken des Heiligen Geistes untergeordnet. c) Die Kirche ist nicht nur ein Bezugspunkt für die geistliche Mutterschaft Mariens, sondern gerade die sakramentale Dimension der Kirche ist der Ort, wo sich ihre mütterliche Aufgabe auf immer verwirklicht. Maria handelt mit der Kirche, in der Kirche und für die Kirche. Die Ausübung ihrer Mutterschaft hat ihren Platz in der kirchlichen Gemeinschaft und nicht außerhalb von ihr; sie führt hin zur Kirche und begleitet sie. Die Kirche lernt von Maria ihre eigene Mutterschaft: in der Annahme des Wortes Gottes, das evangelisiert, bekehrt und Christus verkündet; in der Gabe des sakramentalen Lebens in Taufe und Eucharistie und in der mütterlichen Erziehung und Formung, die den Kindern Gottes hilft, geboren zu werden und zu wachsen. Deshalb kann man sagen, dass »die Fruchtbarkeit der Kirche dieselbe wie die Fruchtbarkeit Marias [ist], und sie verwirklicht sich im Leben ihrer Glieder in dem Maße, in dem sie „im Kleinen“ nachempfinden, was die Mutter gelebt hat, das heißt, sie lieben gemäß der Liebe Jesu«. Als Mutter wartet Maria, wie die Kirche, darauf, dass Christus in uns geboren wird, sie nimmt nicht seinen Platz ein. Deshalb werden »Dank der mächtigen Quelle, die aus der offenen Seite Christi hervorsprudelt, […] die Kirche, Maria und alle Gläubigen auf unterschiedliche Weise zu Spendern lebendigen Wassers. Auf diese Weise entfaltet Christus selbst seine Herrlichkeit in unserer Kleinheit.« Fürsprache 38. Maria ist aufgrund ihrer Mutterschaft und ihres Seins „voll der Gnade“ auf einzigartige Weise mit Christus vereint. Dies wird im Gruß des Engels angedeutet (vgl. Lk 1,28), wenn er die in der ganzen Heiligen Schrift einzigartige und exklusive Vokabel (kecharitōmenē) gebraucht. Sie, die in ihrem Schoß die Kraft des Heiligen Geistes empfing und zur Mutter Gottes wurde, wird durch denselben Geist zur Mutter der Kirche. Aufgrund dieser besonderen Verbindung in der Mutterschaft und in der Gnade hat ihr Gebet für uns einen Wert und eine Wirksamkeit, die mit keiner anderen Fürsprache verglichen werden können. Der heilige Johannes Paul II. hat den Titel „Mittlerin“ auf diese Funktion der mütterlichen Fürsprache bezogen, denn »sie stellt sich „dazwischen“, das heißt, sie macht die Mittlerin, nicht wie eine Fremde, sondern in ihrer Stellung als Mutter, und ist sich bewußt, daß sie als solche dem Sohn die Nöte der Menschen vortragen kann, ja sogar das „Recht“ dazu hat«. 39. Der katholische Glaube liest in der Heiligen Schrift, dass diejenigen, die bei Gott im Himmel sind, weiterhin dieselben Taten der Liebe vollbringen können, indem sie für uns Fürsprache einlegen und uns so begleiten. Wir sehen zum Beispiel, dass die Engel »dienende Geister [sind], ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen« (Hebr 1,14). Es ist die Rede von Aufträgen, die von Engeln ausgeführt werden (vgl. Tob 5,4; 12,12; Apg 12,7-11; Offb 8,3-5). Da sind Engel, die Jesus in der Wüste der Versuchung (vgl. Mt 4,11) und in der Passion (vgl. Lk 22,43) beistehen. Im Psalm wird uns verheißen, dass »er seinen Engeln [befiehlt], dich zu behüten auf all deinen Wegen« (Ps 91,11). 40. Diese Texte zeigen uns, dass der Himmel nicht völlig von der Erde getrennt ist. Das eröffnet die Möglichkeit, dass jene im Himmel für uns Fürsprache einlegen können. Das Buch Sacharja stellt uns einen Engel Gottes vor, der sagt: »Da ergriff der Engel des Herrn das Wort und sprach: „Herr der Heerscharen, wie lange versagst du noch Jerusalem und den Städten Judas dein Erbarmen, denen du nun siebzig Jahre zürnst?“« (Sach 1,12). In ähnlicher Weise spricht die Apokalypse von den „Hingeschlachteten“, den Märtyrern im Himmel, die Gott bitten, auf der Erde zu handeln, um uns von der Ungerechtigkeit zu befreien: »Als das Lamm das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten. Sie riefen mit lauter Stimme und sagten: Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen?« (Offb 6,9-10). Schon in der hellenistisch-jüdischen Tradition gab es die Überzeugung, dass die verstorbenen Gerechten für das Volk Fürsprache einlegen (vgl. 2 Makk 15,12-14). 41. Maria, die im Himmel ihre »übrigen Nachkommen« liebt (Offb 12,17), so wie sie das Gebet der Apostel begleitete, als sie den Heiligen Geist empfingen (vgl. Apg 1,14), begleitet so jetzt unser Beten mit ihrer mütterlichen Fürsprache. Auf diese Weise setzt sie die Haltung des Dienens und der Barmherzigkeit fort, die sie bei der Hochzeit zu Kana gezeigt hat (vgl. Joh 2,1-11), und sie wendet sich auch heute an Jesus mit den Worten: »Sie haben keinen Wein mehr« (Joh 2,3). In ihrem Hochgesang sehen wir Maria als Frau ihres Volkes, die Gott preist, denn »[er] erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben« (Lk 1,52-53); denn »er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat« (Lk 1,54-55), und wir erkennen Marias Bereitschaft, als sie ihrer Cousine Elisabet unverzüglich zu Hilfe kommt (vgl. Lk 1,39-40). Deshalb vertraut das Volk Gottes fest auf ihre Fürsprache. 42. Unter denen, die zusammen mit Christus auserwählt und verherrlicht wurden, steht seine Mutter an erster Stelle. Deshalb können wir behaupten, dass es eine einzigartige Mitwirkung Marias am Heilswerk, das Christus in seiner Kirche vollbringt, gibt. Es handelt sich um eine Fürsprache, die sie zu einem mütterlichen Zeichen der Barmherzigkeit des Herrn macht. Auf diese Weise gibt der Herr, weil er es frei gewollt hat, seinem eigenen Handeln an uns ein mütterliches Angesicht. Mütterliche Nähe 43. Die verschiedenen Anrufungen, Bilder und Marienheiligtümer sind Ausdruck dieser wirklichen Mutterschaft Mariens, die sich dem Leben ihrer Kinder nahe erweist. Ein Beispiel dafür ist die Erscheinung der Gottesmutter an den heiligen Indio Juan Diego auf dem Berg Tepeyac in Mexiko. Maria ruft ihn mit den zärtlichen Worten einer Mutter: »Mein kleinster Sohn, mein Juanito.« Und als er ihr von den Schwierigkeiten bei der Erfüllung der ihm anvertrauten Aufgabe erzählt, offenbart Maria ihm die Kraft ihrer Mutterschaft: »Bin ich nicht hier, ich, die die Ehre habe, deine Mutter zu sein? [...] Bist du nicht auf meinem Schoß, inmitten meiner Arme?« 44. Diese Erfahrung der mütterlichen Zuneigung Marias, die der heilige Juan Diego machte, ist die persönliche Erfahrung der Christen, die die Zuneigung Marias erleben und die ihr »die Nöte des Alltags anvertrauen und ihr Herz vertrauensvoll öffnen, um ihre mütterliche Fürsprache zu erbitten und ihren beruhigenden Schutz zu erlangen«. Über die außergewöhnlichen Bekundungen ihrer Nähe hinaus gibt es beständige alltägliche Ausdrucksformen ihrer Mutterschaft im Leben all ihrer Kinder. Selbst wenn wir sie nicht direkt um ihre Fürsprache bitten, zeigt sie uns ihre Nähe als Mutter, um uns zu helfen, die Liebe des Vaters zu erkennen, die heilbringende Selbsthingabe Christi zu betrachten und das heiligende Wirken des Geistes zu empfangen. Ihr Wert für die Kirche ist so groß, dass die Hirten der Kirche jede politische Instrumentalisierung dieser Nähe der Mutter vermeiden müssen. Papst Franziskus hat bei mehreren Gelegenheiten davor gewarnt und seine Besorgnis über »die ideologisch-kulturell eingefärbten Gedanken verschiedener Art, die sich der Begegnung eines Volkes mit seiner Mutter bemächtigen wollen«, zum Ausdruck gebracht.
45. Diese Bedeutung von „Mutter der Glaubenden“ erlaubt es uns, von Marias Handeln auch in Bezug auf unser Gnadenleben zu sprechen. Es ist jedoch zu beachten, dass bestimmte Ausdrücke, die theologisch akzeptabel sein mögen, leicht mit einer Bildsprache und Symbolik aufgeladen werden, die in Wirklichkeit andere, weniger annehmbare Inhalte vermitteln. So wird Maria beispielsweise so dargestellt, als ob sie über ein von Gott getrenntes Reservoir an Gnade verfügte, wobei nicht so deutlich zu erkennen ist, dass der Herr in seiner großzügigen und freien Allmacht sie mit der Mitteilung jenes göttlichen Lebens in Verbindung bringen wollte, das aus einem einzigen Zentrum entspringt, nämlich dem Herzen Christi und nicht aus Maria. Sie wird auch oft als eine Quelle gesehen oder vorgestellt, aus der alle Gnade fließt. Wenn wir bedenken, dass die trinitarische Einwohnung (ungeschaffene Gnade) und die Teilhabe am göttlichen Leben (geschaffene Gnade) untrennbar miteinander verbunden sind, können wir nicht annehmen, dass dieses Geheimnis durch einen „Durchgang“ durch die Hände Mariens bedingt sein kann. Derartige Vorstellungen verherrlichen Maria in einer Weise, dass die zentrale Stellung Christi selbst verschwinden oder zumindest beeinträchtigt werden kann. Kardinal Ratzinger brachte zum Ausdruck, dass der Titel Maria, Mittlerin aller Gnaden auch in der Offenbarung nicht eindeutig begründet ist, und in Übereinstimmung mit dieser Überzeugung können wir die Schwierigkeiten erkennen, die das sowohl für die theologische Reflexion als auch für die Spiritualität mit sich bringt. 46. Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, muss die Mutterschaft Marias in der Ordnung der Gnade als bereitmachend verstanden werden. Einerseits wegen ihres Charakters der Fürsprache, denn die mütterliche Fürsprache ist Ausdruck jenes »mütterlichen Schutzes«, der es uns ermöglicht, in Christus den einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen zu erkennen. Andererseits schließt ihre mütterliche Anwesenheit in unserem Leben verschiedene Handlungen Marias nicht aus, die die Öffnung unserer Herzen für das Wirken Christi im Heiligen Geist motivieren. So hilft sie uns auf verschiedene Weisen, uns für ein Leben in der Gnade bereitzumachen, die nur der Herr uns eingießen kann. 47. Unser Heil ist allein das Werk der rettenden Gnade Christi und nicht das eines anderen. Der heilige Augustinus bekräftigte, dass »die Herrschaft des Todes in jedem Menschen nur durch die Gnade des Erlösers zerstört wird«, und er erläuterte dies anschaulich anhand der Erlösung des Ungerechten: »Wer wollte für einen Ungerechten, für einen Gottlosen sterben, wenn nicht Christus allein, der so unschuldig ist, dass er auch die Ungerechten rechtfertigen kann? Deshalb, meine Brüder, hatten wir keine verdienstlichen Werke, sondern nur Vergehen. Aber obwohl die Werke der Menschen solche waren, hat seine Barmherzigkeit sie nicht im Stich gelassen und [...] ihnen anstelle der fälligen Strafe die Gnade gegeben, die sie nicht verdienten [...], um uns zu erlösen, nicht um den Preis von Gold oder Silber, sondern um den Preis seines vergossenen Blutes.« Wenn der heilige Thomas von Aquin sich also fragt, ob jemand für einen anderen einen Verdienst erwerben kann, antwortet er, dass »nur Christus für einen anderen die erste Gnade „verdienen“ kann«. Kein anderes menschliches Wesen kann sie im strengen Sinne des Wortes „verdienen“ (de condigno), und in diesem Punkt kann es keinen Zweifel geben: »Niemand kann gerecht sein, außer dem, dem die Verdienste des Leidens unseres Herrn Jesus Christus mitgeteilt werden.« Auch die Fülle der Gnade Marias existiert, weil sie diese Gnade ohne eigenes Verdienst empfangen hat, vor jeder eigenen Handlung, »aufgrund der Verdienste Jesu Christi, des Erlösers des Menschengeschlechts«. Nur die Verdienste Jesu Christi, der sich hingegeben hat bis ans Ende, werden uns für unsere Rechtfertigung zugewandt, die, »da sie als ihr Ziel das ewige Gut der göttlichen Teilhabe hat, ein vortrefflicheres Werk ist als die Erschaffung von Himmel und Erde«. 48. Jedoch kann der Mensch mit seinem Verlangen nach dem Wohl des Nächsten daran teilnehmen, und es ist vernünftig (congruo), dass Gott dieses Verlangen der Nächstenliebe erfüllt, das der Mensch »durch sein Gebet« oder »durch Werke der Barmherzigkeit« zum Ausdruck bringen kann. Es ist wahr, dass dieses Gnadengeschenk nur von Gott gewährt werden kann, da es »jedes Maß unserer Natur übersteigt« und zwischen unserer Natur und seinem göttlichen Leben ein unendlicher Abstand besteht. Aber Gott kann es, indem er den Wunsch der Mutter erfüllt, die sich freudig als demütige Dienerin mit dem göttlichen Werk verbindet. 49. Wie in Kana sagt Maria nicht zu Christus, was er tun soll; sie legt Fürsprache ein, indem sie Christus unsere Unzulänglichkeiten, Nöte und Leiden hinhält, damit er mit seiner göttlichen Kraft handeln kann: »Sie haben keinen Wein mehr« (Joh 2,3). Auch heute hilft sie, uns auf das Handeln Gottes vorzubereiten: »Tut das, was er euch sagt« (Joh 2,5). Ihre Worte sind kein einfacher Hinweis, sondern werden zu einer wahren mütterlichen Pädagogik, die den Menschen unter dem Wirken des Heiligen Geistes in die tiefe Bedeutung des Geheimnisses Christi einführt. Maria hört, entscheidet und handelt, um uns zu helfen, unser Leben für Christus und seine Gnade zu öffnen, denn er allein wirkt in den Tiefen unseres Seins. Dort, wohin nur Gott gelangen kann 50. Wie uns der Katechismus in Erinnerung ruft, ist die heiligmachende Gnade »in erster Linie die Gabe des Geistes, der uns rechtfertigt und heiligt«; sie ist nicht einfach eine Hilfe, eine Energie, die man besitzt, sondern »sie ist Gottes freie Gabe an uns, sein Leben, die durch den Heiligen Geist in unsere Seele eingegossen wird«, die man als Einwohnung der Heiligsten Dreifaltigkeit in unserem Innersten, als Freundschaft mit Gott, als Bund mit dem Herrn beschreiben kann. Nur Gott ist dazu fähig, weil das die Überwindung eines »unendlichen« Abstandes beinhaltet. Dieses „Sich-selbst-Schenken“ der Dreifaltigkeit, dieses »Eingehen in die Seele« (illabitur) von Seiten Gottes selbst, impliziert eine verwandelnde Wirkung im innersten Wesen des Gläubigen. Der heilige Thomas von Aquin verwendet für dieses Vordringen in das Innerste des menschlichen Wesens dieses lediglich auf Gott anwendbare Verb, illabi, da nur Gott, weil er kein Geschöpf ist, zu dieser persönlichen Intimität (mit dem Menschen) fähig ist, ohne die Freiheit und die Identität der Person zu verletzen. Nur Gott erreicht das Innerste eines Menschen, um ihn zu erheben und umzuwandeln, wenn er sich ihm als Freund kundtut, und deshalb kann »kein Geschöpf Gnade schenken«. Der heilige Thomas wiederholt dies, wenn er von der sakramentalen Gnade spricht: Als Hauptursache »bewirkt Gott allein die innere Wirkung des Sakraments. Denn er allein dringt in die Seele vor, wo sich die sakramentale Wirkung entfaltet (niemand kann unmittelbar wirken, wo er nicht anwesend ist), so dass die Gnade, die eine innere Wirkung des Sakraments ist, von Gott allein kommt«. [...]
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